Von der Fahndung bis zum Klaus-Barbie-Prozess

In den 1970er Jahren wurde Klaus Barbie in Lateinamerika entdeckt, wohin er 1951 emigriert war. Zu der Zeit als sich Beate und Serge Klarsfeld auf die Suche nach ihm machten, lebte er in Bolivien unter dem Namen Klaus Altmann. Nach fast zehnjähriger Suche und unter Mithilfe von zwei Müttern von Kindern aus der Kolonie von Izieu, Fortunée Benguigui und Ita-Rosa Halaunbrenner, brachte das Ehepaar Klarsfeld Klaus Barbie im Februar 1983 zurück ins französische Lyon.

In Begleitung von Beate Klarsfeld, Fortunée Benguigui, Ita Rosa Halaunbrenner und Léa Feldblum, alle drei Nebenkläger und von der Staatsanwaltschaft vorgeladene Zeugen. © AFP

Im selben Jahr veröffentlichte Serge Klarsfeld das erste Nachschlagewerk zur Geschichte der Kinder von Izieu, in dem er ihre Schicksale schildert: ihre Herkunft, ihre Familien, ihre Gesichter sowie Zahlen und Daten zu ihren Deportationstransporten. Mit seinen Nachforschungen macht er deutlich, dass die jüdische Identität jedes dieser Kinder die einzige Ursache für ihre Ermordung war. Dank dieser Arbeit geht die Geschichte der Kinder von Izieu in das jüdische Gedenken an die Deportation und Vernichtung ein.

In diesem Zusammenhang fand am 8. April 1984 in Izieu eine bedeutende Feier statt. Zum ersten Mal waren jüdische Institutionen offiziell vertreten. Der Oberrabbiner von Lyon und Théo Klein als Vorsitzender des Dachverbands der jüdischen Institutionen Frankreichs (CRIF) sind anwesend. Dieser gab an diesem Tag folgende Erklärung ab:

 

 

« Nous avons, comme les autres, commis un péché d’oubli envers ces enfants. ».

„Wir haben, wie andere auch, diesen Kindern gegenüber die Sünde begangen, sie zu vergessen. “.

(Théo Klein, Vorsitzender des CRIF, Auszug aus seiner Rede vom 8. April 1984).

Die Behörden und Bewohner von Izieu und Brégnier-Cordon, die seit 1946 das Andenken an die Kinder von Izieu und ihre Betreuer wach halten, fühlen sich von dieser Formulierung angesprochen und verwehren sich dagegen, jedwede „Sünde des Vergessens“ begangen zu haben.

« Comme les autres… La formule valait assurément pour la communauté au nom de laquelle le président du CRIF parlait et vaut aussi pour certaines autres associations. Elle ne s’appliquait pas aux institutions de la République, et, notamment à celle au nom de laquelle je parle. »

„Wie andere auch…. Diese Formulierung galt mit Sicherheit der Gemeinschaft, in deren Namen der CRIF-Vorsitzende seine Rede hielt, sowie für bestimmte Verbände. Sie bezog sich nicht auf Institutionen der Republik, insbesondere nicht auf diejenigen, in deren Namen ich spreche.

(Robert Mériaudeau, Auszug aus seiner Rede vom 29. April 1984).

Der Prozess von Lyon 1987

Die Beweisaufnahme im Verfahren gegen Klaus Barbie leitet der Richter Christian Riss. Es fand von Februar 1983 bis Oktober 1985 statt, da es langwierig war, vierzig Jahre nach den Ereignissen Zeugen ausfindig zu machen und klar festzulegen, welche Handlungen unter die Begriffe Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit fielen. Während der Beweisaufnahme legte Serge Klarsfeld Barbies Fernschreiben zur Abschiebung der 44 Kinder vor. Dieses entscheidende Stück wurde im Archiv der Shoah-Gedenkstätte gefunden und war einer der wichtigsten Beweise dafür, Klaus Barbie wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit zu verurteilen.

Ein Urteil des Kassationsgerichtshofs aus dem Jahr 1985 entschied, dass Verbrechen gegen Widerstandskämpfer (Kriegsverbrechen) zu unverjährbaren Verbrechen gegen die Menschlichkeit werden, wenn sie „systematisch“ und „im Namen eines Staates, der eine Politik der ideologischen Hegemonie betreibt“ gegen Gegner einer derartigen Politik verübt werden.

Am 11. Mai 1987 begann der Prozess gegen Klaus Barbie vor dem Schwurgericht der Cour d’Assises du Rhône in Lyon. André Cerdini war damals der Präsident des Gerichtshofs. Pierre Truche war der Generalstaatsanwalt.

 

Klaus Barbie bei der Prozesseröffnung am 11. Mai 1987 im Gerichtsgebäude von Lyon. (AFP)

Anklagepunkte gegen Klaus Barbie:

  • Die Razzia vom 9. Februar 1943 in den Räumen der Allgemeinen Vereinigung der Israeliten Frankreichs (UGIF) in der Rue Sainte Catherine in Lyon, gefolgt von der Verhaftung von 86 Personen, von denen 84 deportiert wurden;
  • Die Deportation von etwa sechshundertfünfzig Menschen am 6. August 1944 im letzten Transport, der Lyon verlässt. Die französischen Widerstandskämpfer und Geiseln wurden nach Dachau deportiert, Frauen nach Ravensbrück; die Juden nach Auschwitz-Birkenau, wo sie am 22. August eintrafen;
  • Die Verhaftung und Deportation von 44 Kindern und sieben Erziehern, allesamt Juden, aus dem Kinderheim von Izieu;
  • Die Folterung und anschließende Ermordung Marcel Gompels, eines jüdischen Professors am Collège de France im Widerstand;
  • Die Deportation von einundzwanzig Juden und achtunddreißig einzeln verhafteten Widerstandskämpfern.

Während der siebeneinhalb Prozesswochen waren drei Anhörungen zwischen 27. Mai und 2. Juni 1987 der Massenverhaftung von Izieu gewidmet.

Mehrere in die Geschichte des Kinderheims involvierte Zeugen sagten aus:

  • Sabine Zlatin, Gründerin des Kinderheims;
  • Léa Feldblum, eigens aus Tel Aviv angereist, Erzieherin im Kinderheim;
  • Léon Reifman, Arzt im Kinderheim;
  • Gabrielle Tardy (geborene Perrier), im Oktober 1943 ins Kinderheim berufene Lehrerin;
  • Paulette Pallarés-Roche, im Sommer 1943 Betreuerin im Kinderheim;
  • Fortunée Benguigui, Ita-Rose und Alexandre Halaunbrenner, Mütter und Bruder von Kindern, die am 6. April 1944 in Izieu verhaftet wurden;
  • Paul Niedermann, Adolphe Waysenson, René Wucher, die als Kinder im Heim von Izieu gelebt haben;
  • Julien Favet, Augenzeuge der Razzia;
  • Robert Mériaudeau und Henri Perret, Bürgermeister der Gemeinden Brégnier-Cordon und Izieu.

Von den Anwälten der Nebenkläger vertritt Roland Rappaport Sabine Zlatin, sowie Serge Klarsfeld (für den Opferverband der Söhne und Töchter der deportierten Juden Frankreichs) mehrere Familien der im Kinderheim von Izieu verhafteten Kinder. Ugo Iannucci vertritt Léon Reifman; Alain Jakubowicz vertritt weitere Angehörige von Kindern von Izieu sowie die Internationale Liga gegen Rassismus und Antisemitismus.

Auf Anraten seines Anwalts Jacques Vergès erschien Klaus Barbie lediglich zu den ersten drei sowie zur letzten Anhörung.

Gründerin des Kinderheims von Izieu Aussage im Klaus-Barbie-Prozess, 13. Anhörung, 27. Mai 1987
Sabine Zlatin
« Je veux dire surtout à la défense de Barbie que Barbie a toujours dit qu’il s’occupait uniquement des résistants et des maquisards. Ça veut dire des ennemis de l’armée allemande. Je demande : „Les enfants, les 44 enfants, c’était quoi ? C’était des résistants ? C’était des maquisards ? Qu’est ce qu’ils étaient ? C’était des innocents !“ »

„Ich möchte der Verteidigung Barbies insbesondere mitteilen, dass Barbie stets sagte, er kümmere sich nur um Widerstandskämpfer und den Maquis. Also um Feinde der deutschen Armee. Meine Frage lautet: „Was waren die Kinder, die 44 Kinder? Waren das Widerstandskämpfer? Waren sie beim Maquis? Was waren sie? Sie waren unschuldig!“ “

 

Am 4. Juli 1987 wurde er an den fünf ihm zur Last gelegten Verbrechen gegen die Menschlichkeit für schuldig befunden. Die Geschworenen gewährten ihm keinerlei mildernde Umstände. Er wird zu lebenslanger Haft verurteilt. Er starb am 25. September 1991 im Gefängnis Saint-Joseph in Lyon im Alter von 78 Jahren nach 8 Jahren und 7 Monaten Haft. Von allen in Frankreich wegen Verbrechen während des Zweiten Weltkriegs verurteilten Häftlingen, ist er der erste, der im Gefängnis stirbt.

 

Ein Prozess für die Geschichte

Der Prozess gegen Klaus Barbie in Lyon 1987 stieß auf außergewöhnliches Interesse. Es war der erste Prozess und die erste Verurteilung in Frankreich aufgrund von Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Das rigoros geführte Verfahren gegen Klaus Barbie, das für die Nachwelt aufgezeichnet und medial stark verbreitet wurde, dient als pädagogisches Schaustück in einem Kontext, in dem sich die Holocaustleugnung seit den 1970er Jahren deutlich Gehör verschaffte. Viele Schulklassen nehmen an den Anhörungen teil. Die Zeugenberichte, die vor Gericht die Realität des Nationalsozialismus und der Verfolgung und Vernichtung von Juden schildern, rufen in der französischen Bevölkerung ein breites Interesse hervor.

Dieser Prozess ist ein Zeichen dafür, dass keiner der Peiniger seiner gerechten Strafe entgeht. Gleichzeitig ist er ein würdevolles Andenken an die historische Realität der Geschehnisse.

Erst durch das Vorgehen der Gerichte und den Nachhall des Prozesses fand Izieu wahrhaft Eingang in Geschichte der französischen Nation.

 

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